Hannes Koza 
persönliche Ansichten

Wählerwille umgesetzt? Mehrheitswahlrecht check!

Beim Wahlkampf zur Nationalratswahl 2024 und in den Zeiten danach wurde
die Illusion genährt, dass der Bundeskanzler zur Wahl stünde und gestanden ist.
Tatsächlich gewählt wurden bekanntlich Parteilisten, und das nach dem Verhältniswahlrecht. Dieses kennt keinen Wählerwillen und auch keinen selbst ernannten Volkskanzler, sondern bildet das aktuelle politische Kräfteverhältnis ab.
Die Wahl brachte einen politischen Erdrutsch, aber keinen klaren Regierungsauftrag: Eine Partei mit einem sehr guten, eine mit einem guten Viertel, eine mit rund einem Fünftel der Wählerstimmen.
Zwei Parteien mit weniger als zehn Prozent. Ein klarer Wähler- oder gar Volkswille sieht anders aus.
Die Parteienlandschaft ist zersplittert, die Wählerschaft fragmentiert, Großparteien und klare Mehrheiten gehören der Vergangenheit an.  

Die Diskussion unter den FPÖ-Wählern dreht sich häufig um die Wahrnehmung, dass der Wählerwille nicht umgesetzt wurde. Rufe nach einem Mehrheitswahlrecht werden laut. Daher habe ich ein kleines Experiment durchgeführt, in dem ich analysiert und recherchiert habe, wie die Nationalratswahl unter einem fiktiven Mehrheitswahlrecht in Österreich ausgegangen wäre und wie die Mandate nach dem Winner Takes it all Prinzip verteilt worden wären. 

NRW-2024 mit Mehrheitswahlrecht

FPÖ: 76 Mandate                                                                                                                          ÖVP: 65 Mandate.                                                                                                                         SPÖ: 42 Mandate

Die Mandate wären auf die drei stärksten Parteien verteilt worden, während die Neos und die Grünen leer ausgegangen wären. Dies ist bei einem Mehrheitswahlrecht nicht ungewöhnlich. Allerdings hätten immer noch drei Parteien Sitze im Parlament, und keine von ihnen würde die absolute Mehrheit erreichen, die für eine tragfähige Regierung erforderlich ist. Das heißt der Erste in diesem Fall die FPÖ unter Herbert Kickl. Die FPÖ, müsste sich wieder einen Koalitionspartner suchen und könnte nicht alleine regieren. Zukünftig würden sich wahrscheinlich zwei Parteien etablieren, wie dies in Ländern mit Mehrheitswahlrecht üblich ist.

Und ja, ich persönlich halte es für einen Fehler Herbert Kickl nicht den Regierungsbildungsauftrag erteilt zu haben. So kann er sich aus der Verantwortung ziehen und sich als Opfer darstellen.

Ich habe noch zum Vergleich die NR-Wahl 2017 und 2019  im Mehrheitswahlrecht dargestellt. Damals wären die heutigen Gerechtigkeitsfanatiker wohl nicht der Meinung von heute gewesen. 

NRW-2017 mit Mehrheitswahlrecht


ÖVP: 107 Mandate 

SPÖ: 65 Mandate

FPÖ: 11 Mandate

Die Wahl 2017 war vor Ibiza, die prozentuellen Unterschiede zwischen 1.,2. und 3. waren ähnlich der Wahl 2024, jedoch hätte die ÖVP schon eine absolute Mehrheit erreicht und somit auch die FPÖ als Koalitionspartner nicht gebraucht. 

NRW-2019 mit Mehrheitswahlrecht


ÖVP: 152 Mandate

SPÖ: 25 Mandate

Grüne: 6 Mandate

 

Wer ist jetzt der Volkskanzler?

Wie man leicht erkennen kann, wäre Herbert Kickl, der 2024 mit der FPÖ Erster wurde und 28,9% der Wählerstimmen erreichte, wäre auch bei einem Mehrheitswahlrecht sehr weit von der absoluten Mehrheit entfernt. 

Wobei Sebastian Kurz 2017 mit seiner ÖVP mit gerade einmal 31,5% der Wählerstimmen eine sehr gut abgesicherte absolute Mehrheit gehabt hätte. 2019 überhaupt eine 3/4 Mehrheit im Nationalrat!


Sowohl Mehrheits- als auch Verhältniswahlrecht haben ihre Vorzüge und Herausforderungen. Ein ausgewogenes Wahlsystem könnte Elemente beider Modelle kombinieren, um sowohl Stabilität als auch repräsentative Gerechtigkeit zu gewährleisten, was für eine gesunde Demokratie entscheidend ist. In den kommenden Jahren ist wohl eine große Wahlrechtsreform unausweichlich.

 


Anmerkung: Mandatsverschiebungen zwischen den Wahlkreisen aufgrund Änderungen der Bevölkerungszahl wurden nicht berücksichtig. Für 2017 und 2019 wurden der Mandatsschlüssel 2024 verwendet.